Mikrokredite – Kleines Geld, große Wirkung?

Südostasien – Vor über 45 Jahren initiierte Muhammad Yunus die Mikrokredite. Dafür erhielt er den Friedensnobelpreis. Die Idee ist simpel: Kredite über Kleinstbeträge werden von unabhängigen Organisationen an Menschen mit kleinen Gewerben, überwiegend in Entwicklungsländer, vergeben. Damit soll die wirtschaftliche Entwicklung der Menschen gefördert werden. Trotzdem standen Mikrokredite oft in der Kritik. Hohe Wucherzinsen und Ausbeutung der Bezieher:innen rückten diese in ein schlechtes Licht. 23 Grad hat mit der Global Micro Initiative e.V. (GMI) gesprochen, die Menschen in Südostasien durch einen Zugang zu Mikrokrediten mithilfe von Beratungen, Weiterbildungen und Netzwerken ein selbstbestimmtes Leben ermöglichen möchte.

Von Teresa Berberich

(Quelle: privat)

Global Micro Initiative e.V. wurde 2014 in Hösbach gegründet
Webseite: www.global-micro-initiative.de

Spendenkonto:
Global Micro Initiative e.V., Hösbach
Raiffeisen-Volksbank Aschaffenburg e.G.
IBAN: DE38 7956 2514 0000 4739 01
BIC: GENODEF1AB1

Seit acht Jahren vergibt der ehrenamtliche Verein Global Micro Initiative Mikrokredite auf den Philippinen und in Indonesien. Vor allem die in Armut lebenden Menschen haben keinen Zugang zu Banken. Ihnen bleibt oft nur der Gang zu Geldverleiher:innen, die jedoch immense Kreditsätze von teilweise 80 bis 100 Prozent verlangen, um sich selbst abzusichern. Mit Mikrokrediten schließt sich hier eine Lücke. Das Besondere ist, dass damit auch Menschen Geschäfte aufbauen und Ideen verwirklichen können, die eigentlich über kein Vermögen verfügen. Dafür ist oft ein Startkapital notwendig. Die Mikrokredite von GMI umfassen Summen zwischen 70 und 500 Euro. „Wir möchten den Menschen vor Ort nicht das Gefühl geben, arm und hilfsbedürftig zu sein. Wir möchten mit ihnen arbeiten und ihnen das Gefühl geben: Ihr seid uns gleichwertig“, erklärt Silvia Schüßler. Vielmehr möchten sie ihnen die Chance geben, sich etwas aufzubauen. 

Doch im Gegenzug verlangt GMI auch etwas von ihren Kreditnehmer:innen. „Der Mikrokredit ist keine Spende, keine Almosen, sondern wir erwarten dafür auch, dass die Leute an Schulungen teilnehmen, dass sie lernen, wie sie ihr Geschäft ausbauen können. Wir wollen ihnen begreiflich machen, dass wir Geschäfte auf Augenhöhe mit ihnen machen“, sagt die Pressearbeiterin. Wer einen Kredit haben möchte, muss einen kleinen Businessplan vorlegen können. Sie müssen eine Geschäftsidee haben oder ein bereits bestehendes Geschäft. Dann müssen die Kreditbezieher:innen ein Ziel haben. Was möchten sie mit ihrem Geschäft erreichen und wie möchten sie diese Ziele realisieren? Die Mitarbeiter:innen auf den Philippinen und in Indonesien sprechen die einzelnen Punkte ausführlich mit ihnen durch. 

Der Kreditzeitraum wird individuell ausgehandelt, meist geht er ein Jahr. Für neue Kreditnehmer:innen sind zunächst nur kleine Summen vorgesehen. Wer sich bewährt hat, bekommt größere Beträge. Die Rückzahlungsquote liegt laut Silvia Schüßler bei 98 Prozent. Wenn jemand nicht zurückzahlen kann, liegt das vorwiegend an persönlichen Gründen. Etwa musste eine Frau, die ein Geschäft aufgebaut hatte, alles zurücklassen, als ein Familienmitglied verstarb und sie in ihre Heimat zurückkehrte.

Außerdem müssen die Bezieher:innen zusätzlich 10 Prozent Zinsen zurückzahlen. Mit der Summe aus der Rückzahlung und der Zinsen finanziert der Verein seine Mitarbeiter:innen vor Ort und die Schulungen, die sie anbieten.

Schulungen und Seminare für erfolgreiche Geschäfte

Da die deutschen Gründer:innen und ehrenamtliche Helfer:innen nicht ständig in Indonesien oder auf den Philippinen sein können, haben sie einheimische Kursanbieter:innen eingestellt. Diese kennen die Menschen und deren Kultur gut. Die Programmteilnehmer:innen vertrauen sich ihnen leichter an und schildern ihre Probleme. Einmal in der Woche besuchen Mitarbeiter:innen die Kreditnehmer:innen vor Ort, um individuelle Seminarthemen für sie festzulegen. Sie sind Fachkräfte in den Bereichen wie Unternehmensführung und Marketing.

Die Schulungen und Seminare sind kostenlos. 45 Seminare wurden bisher abgehalten, mit insgesamt knapp 800 Teilnehmenden. Die dabei behandelten Themen umfassen Projektaufgaben, wie beispielsweise das Führen eines Kassenbuchs, aber auch Onlinebanking. Besonders während der Corona-Pandemie haben viele Kiosk- oder Food-Stand-Besitzer:innen auf Online Shopping zurückgegriffen, um ihre Produkte zu verkaufen. Viele Menschen aus Südostasien besitzen Handys und nutzen vor allem Facebook. Hier haben die Seminarleiter:innen über versteckte Fallen im Internet aufgeklärt und gezielte Marketingstrategien vorgestellt.

Auch das Marketing ist generell ein großer Bestandteil der Schulungen. Hier geht es darum, auf Kundenwünsche einzugehen oder wie die Menschen mit ihren Geschäften der Dorfgemeinschaft helfen können. „Die Seminare zielen auch darauf ab, die Kleinstunternehmer:innen untereinander zu vernetzen und ihnen zu sagen: Wenn ihr euch gegenseitig helft, dann werdet ihr stärker“, führt Silvia Schüßler fort.

Finanzierung durch Spenden

Die Nachfrage nach Mikrokrediten sei hoch. „Wir haben jeden Tag zwischen 20 und 40 Anfragen. Manchmal auch mehr“, berichtet die 57-Jährige. 410 Mikrokredite hat GMI bereits vergeben. “Im Moment haben wir allerdings minimale Spendeneinnahmen. Insoweit hängt die Anzahl der Kleinkredite, die wir vergeben können und die Anzahl der Seminare, die wir finanzieren können, sehr stark von dem Spendenaufkommen ab.“ Die Menschen spenden laut Silvia Schüßler aktuell eher an die Ukraine und damit nicht noch zusätzlich nach Südostasien. Somit kann Global Micro Initiative momentan weniger Mikrokredite vergeben, da sie weiterhin eine qualitativ hochwertige Arbeit machen möchten, die die Menschen in Südostasien weiterbringt.

Kleinstunternehmer:innen und ihre Geschäftsideen

Mobile Essensstände, kleine Kioske, Supermärkte, Serviceläden, Schweinemäster, Friseurläden oder Recyclinganlagen sind nur ein paar der vielen Geschäfte und Geschäftsideen der Unternehmer:innen. Einer von ihnen ist Supriadi aus Indonesien. Er begann 2017 in seinem kleinen Laden Futter für Hühner und Wachteln zu verkaufen. 2019 erhielt er seinen ersten Kredit in Höhe von einer Million Rupiah (etwa 65 Euro). 2020 nahm er einen Kredit über zwei Millionen Rupiah auf und 2021 einen dritten über drei Millionen Rupiah (195 Euro). „Mit der Zeit entwickelte sich das Geschäft weiter. Mittlerweile verkaufe ich nicht nur Tierfutter, sondern auch Reis, Gemüse und andere Lebensmittel“, berichtet Supriadi. Mit dem Mikrokredit konnte er sein Lagerhaus erweitern und in einen kleinen Laden umbauen. „Ich bin dankbar dafür, dass mein Kind jetzt zur Schule kann“, freut er sich. Auch für seine Zukunft konnte er bereits Geld ansparen.

Supriadi aus Indonesien sorgte mit seiner Geschäftserweiterung dafür, dass sein Kind nun zur Schule kann

Aber nicht nur Männer profitieren durch die Mikrokredite. Frauen nehmen durchschnittlich sogar mehr Kredite auf. Gerade Indonesien ist traditionell islamisch geprägt. Dort dürfen Frauen Kredite nur mit Zustimmung ihrer Männer aufnehmen. „Die Frauen wollen lernen, wollen selbstständiger werden. In der Familien- und Dorfgemeinschaft konnten erfolgreiche Frauen an Ansehen gewinnen, weil sie mit ihrem Einkommen zum Familienunterhalt beitragen. Diese Frauen werden mehr respektiert und mehr geachtet“, stellt Silvia Schüßler dar.

2014 erhielt Catherine aus den Philippinen den allerersten Mikrokredit von GMI. Catherine lebte damals in einer Wellblechhütte und hatte den Wunsch, von dort wegzuziehen, da diese jedes Jahr überflutet wurde und weder festen Fußboden, noch fließendes Wasser hatte.  Catherine machte sich durch ihren eigenen Lebensmittelladen, und später Reislieferservice, von ihrem gewalttätigen Ehemann finanziell unabhängig. Dies ermöglichte ihr den Kontaktabbruch, da sie nun nicht mehr auf seine finanzielle Unterstützung angewiesen war. Mittlerweile lebt sie in ihrem eigenen Haus, in einer sicheren Gegend.

Durch die GMI-Mikrokredite konnten bereits viele Menschen ihre Geschäftsideen verwirklichen. Da Global Micro Initiative selbst keinen Profit aus den Krediten zieht und stets versucht die Leute durch Seminare und Schulungen zu unterstützen, ist hier der Grundgedanke der Mikrokredite noch erhalten. Die Kreditnehmer:innen beziehen oft nicht nur einen, sondern mehrere Kredite, um ständig ihre Unternehmen auszubauen und zu vergrößern. Damit sorgen sie für eine sichere und selbstständige Einnahmequelle und Versorgung. 

3 Fakten zu Indonesien

– Indonesien ist der weltgrößte Inselstaat. Das Land verteilt sich auf 17.508 Inseln, von denen allerdings nur etwa 6000 bewohnt sind.
– Indonesien ist der Staat mit der größten muslimischen Bevölkerung weltweit (ca. 225 Millionen). Der Islam ist jedoch nicht Staatsreligion. Neben dem Christentum sind auch Buddhismus, Konfuzianismus und Hinduismus verbreitet.
– Für Frauen und Männer gibt es auf Bali nur vier Vornamen. Das erstgeborene Kind ist Wayan, das zweite Made. Das dritte ist Nyoman und das vierte Ketu. Solle es weitere Kinder geben, beginnt der Kreislauf wieder bei Wayan. Dazu haben die meisten auch keinen Familiennamen. 

3 Fakten zu den Philippinen

– Die Flagge der Philippinen ist die einzige weltweit, die in Friedenszeiten mit dem blauen Feld nach oben gehisst wird, während in Kriegszeiten das rote Feld oben liegt. 
– Die Philippinen haben das größte Diaspora-Netzwerk der Welt – 2013 lebten und arbeiteten nach Schätzungen der Kommission für Filipinos in Übersee etwa 10 Millionen Einwohner:innen im Ausland.
– Die Philippinen erklärten im Jahre 1946 ihre Unabhängigkeit. Es war das erste südostasiatische Land, das nach dem Zweiten Weltkrieg seine Unabhängigkeit bekam

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