Die Stadt Pfungstadt setzt sich zusammen mit ihrem Bürgermeister Patrick Koch für den Aufbau und die Modernisierung der kommunalen Wasser- und Abwasserwirtschaft in Namibia ein. Im Interview mit 23 Grad spricht Koch über die Klimapartnerschaft mit dem südafrikanischen Dorf Oshikuku und erklärt, wieso Pfungstadt sich noch zwei Scheiben von seinem namibischen Partner abschneiden kann.
Von Kathrin Buschauer
Unwetter, Stürme, Starkregen – nicht nur in Deutschland steigt die Zahl heftiger Wetterphänomene spürbar, auch am anderen Ende der Welt hat man mit Klimaveränderungen zu kämpfen. Etwa in Oshikuku, einem kleinen 2.600-Seelen-Dorf, rund 800 Kilometer von Namibias Hauptstadt Windhuk entfernt. Während der ein- bis zweimonatigen Regenzeit kommt es dort immer wieder zu gefährlichen Überschwemmungen. Dennoch leiden die Einwohner des Dorfes den Rest des Jahres unter extremer Dürre und einer daraus resultierenden Wasserknappheit. “Es regnet viel in Oshikuku, gerade einmal etwas weniger als in Pfungstadt. Aber der Regen kommt dort massiv und geballt innerhalb kürzester Zeit. Das führt zu Überschwemmungen. Wir selbst waren während der Regenzeit vor Ort und haben gesehen, wie ganze Landstriche unter Wasser stehen. Aber das Wasser wird nicht in Zisternen geleitet, sondern steht einfach ungenutzt auf den Wiesen und verdunstet innerhalb weniger Wochen. Dann folgen wieder 11 Monate Trockenzeit ohne Wasser. Das ist fatal”, schildert Bürgermeister Patrick Koch die Lage.
Doch Pfungstadt will der Wasserkrise Oshikukus ein Ende setzen. Seit knapp zwei Jahren unterstützt die Modaustadt die Kommune im Süden Afrikas im Rahmen einer Klimapartnerschaft mit ihrem Wissen beim Aufbau eines modernen Versorgungsnetzwerks. Dafür haben beide Seiten ihre gemeinsamen Ziele festgehalten. So soll die kommunale Wasserver- und –entsorgung in Zusammenarbeit mit Verantwortlichen aus Oshikuku, zu denen unter anderem Bürgermeister Mbockma Mungandjera zählt, und Fachleuten aus Pfungstadt nachhaltig modernisiert und auf die Zukunft ausgelegt werden. Dabei stehen bisher vor allem die Verfügbarkeit und die Speicherung von Wasser im Vordergrund. Mit Hilfe deutscher Fördermittel vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) sollen die ersten gemeinsamen Ziele realisiert werden: “Das könnte zum Beispiel der Bau von Zisternen zur Wasserspeicherung sein. Das ist kein Riesenprojekt, muss aber trotzdem umgesetzt werden, denn in Oshikuku macht das erstmal keiner. Aber Kleinvieh macht auch Mist – vor allem im Klimaschutz”, so Bürgermeister Koch.
Pfungstadt als Wasser-Profi
Das nötige Know-how für die Modernisierung der veralteten Wassersysteme in Oshikuku und die Realisierung neuer Projekte besitzt Pfungstadt – als eine der wenigen Städte Südhessens – dank seiner langjährigen Erfahrungen mit einer eigenständigen Wasserver- und –entsorgung. “Wir haben unsere eigenen Brunnen, ein eigenes Leitungssystem und ein eigenes Wasserwerk. Damit können wir unsere Bevölkerung tagtäglich mit Trinkwasser in ausgezeichneter Qualität versorgen. Gleichzeitig haben wir auch unser eigenes Entsorgungssystem: zwei Kanäle und eine Kläranlage”, erklärt Bürgermeister Koch das autarke Wassersystem. Das Fachwissen seiner Stadt will Bürgermeister Koch aber nicht nur vor Ort in Oshikuku vermitteln, sondern lädt dazu auch nach Pfungstadt ein: “2019 sind zwei Mitarbeiter der Stadtwerke für drei Monate aus Oshikuku nach Pfungstadt gekommen. Dort haben wir ihnen gezeigt, was alles möglich ist und wie die Wasserversorgung und Entsorgung in Deutschland funktioniert, indem sie ein Praktikum im Wasserwerk und der Kläranlage absolviert haben. Nur so konnten sie uns auch sagen ‘Das was bei euch vielleicht Standard ist, kann bei uns gar nicht funktionieren ’.”
Eine langjährige Partnerschaft
Das Land Hessen hat die Partnerschaft vor knapp vier Jahren angestoßen. Bereits 2018 haben sich beide Partner dann auf eine Kooperation auf Augenhöhe geeinigt: “Das ist über Jahre gewachsen und ich bin sehr froh darüber, dass wir diese Verbindung haben, weil es etwas sehr Besonderes ist und im Hinblick auf den Faktor Klima natürlich auch sehr nützlich”, sagt Koch stolz. “Denn Klimaschutz macht nicht an unseren Landes- oder Stadtgrenzen halt. Klima ist etwas, das sich global verändert. Man muss auch in anderen Ländern mit kleinen Schritten vorangehen. Sonst werden wir den Klimawandel nicht abschwächen. Es geht darum, Schadensbegrenzung zu betreiben. Da ist es sinnvoll, solche Partnerschaften zu gründen, um dem globalen Süden zu zeigen ‘Wir lassen euch nicht im Stich, wir helfen euch und wir versuchen gemeinsam etwas zu verändern’.” Seitdem stehen die beiden Kommunen in regem Austausch.
Doch wie jede Fernbeziehung, brachte auch die Klimapartnerschaft mit Oshikuku anfangs einige Herausforderungen mit sich, erzählt Bürgermeister Patrick Koch: “Die erste Schwierigkeit war Corona. Die Pandemie hat das Vorhaben sehr ausgebremst, weil man sich nicht gegenseitig besuchen konnte. Man muss immer in regem Kontakt und im Austausch bleiben, aber das funktioniert inzwischen sehr, sehr gut. Wir sind aktuell sogar dabei, auch die Kirchengemeinden miteinander zu vernetzen.” Auch die kulturellen Unterschiede erschwerten die Kommunikation mit den namibischen Partner:innen zu Beginn: “Es hat eine Weile gedauert, bis das Eis gebrochen war. Wir haben mit unserer deutschen, sehr direkten Art sicherlich den ein oder anderen Fehler gemacht. Eine Schulung hat uns dann aber geholfen, unsere Partner:innen besser zu verstehen und mehr über ihre Kultur zu lernen. So einen kulturellen Crashkurs würde ich jeder Kommune empfehlen, die eine internationale Partnerschaft anstrebt, damit man sich von Anfang an versteht. Nur so kann man gemeinsam Gutes erreichen.” Vor allem in zwei Punkten kann sich Pfungstadt laut Bürgermeister Patrick Koch aber noch eine Scheibe von Oshikuku abschneiden: “In Afrika geht man einfach mit mehr Gelassenheit an die Dinge ran. Das würde uns auch guttun. Und mehr Freude an dem, was man hat und was neu entsteht – einfach die Dinge positiver sehen.”