Industrialisierung und Bevölkerungswachstum sollen den Energieverbrauch und damit auch die CO2-Emissionen Afrikas bis 2050 vervierfachen. Ein Problem für das Klima, das die ganze Welt angeht. Denn dieses Szenario bietet auch unglaubliches Potenzial.
Von Louis Glatzel
Afrika verbrauchte im Jahr 2020 rund 5.000 Terawattstunden (TWh) Primärenergie, also fossile Brennstoffe wie Öl und Gas. Dabei sind Holz, Torf und ähnliche Energieträger noch nicht miteingerechnet. Sie machen in Teilen Afrikas aber einen nicht unwesentlichen Anteil der Energiegewinnung aus. Die reale Menge ist also noch deutlich größer.
Im Vergleich dazu verbrauchte Deutschland 2021 rund 3.600 TWh und stieß dabei knapp 700 Millionen Tonnen CO2 aus. Die aktuellen Zahlen Afrikas wirken also zunächst noch nicht besonders besorgniserregend.
Das könnte sich aber bald ändern. Denn knapp die Hälfte der 1,3 Milliarden Afrikaner:innen haben keinen Stromanschluss. Noch nicht.
Kombiniert mit der erwarteten Verdoppelung der afrikanischen Bevölkerung bis 2050, wird sich der Energiebedarf somit vervierfachen. Auf mehr als 20.000 TWh pro Jahr. Mit fossilen Brennstoffen wie Kohle und Gas, aus denen Afrika aktuell fast seine gesamte Energie gewinnt, entspräche das einem CO2-Ausstoß von knapp 18,5 Milliarden Tonnen. Mit erneuerbaren Energien wie Wind-, Solar- und Gezeitenkraftwerken könnte man hier bis zu 17 Milliarden Tonnen CO2 einsparen. Es gibt also ein knapp 30-fach größeres Potenzial für CO2-Einsparungen als in Deutschland.
Selbst wenn Deutschland es mit großen Investitionen schaffen würde, seinen Strom zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energiequellen zu beziehen, wäre es um ein Vielfaches effektiver, die dafür nötigen Ressourcen in Afrika statt in Deutschland zu einzusetzen.
Und eine Versorgung Afrikas mit erneuerbaren Energien bringt noch weitere Vorteile mit sich. Es ist leichter, ein neues, geeignetes Netz in Afrika aufzubauen, als ein bestehendes deutsches Netz umzubauen. Zusätzlich können erneuerbare Energien dezentral erzeugt und genutzt werden. Das heißt, dass auch abgelegene Regionen mit kurzen Netzen an ihre lokalen Energiequellen, wie zum Beispiel Wind- oder Solarparks, angeschlossen werden könnten.
In der Theorie ist das ein schlüssiger Ansatz. Aber wie so oft hängt es an der praktischen Umsetzung. Immerhin werden erste Schritte getan. So sind beispielsweise Deutschland, Frankreich, Großbritannien, die USA und die EU eine Energiepartnerschaft mit Südafrika eingegangen, um das Land beim Kohleausstieg zu unterstützen. In diesem Rahmen soll Südafrika über fünf Jahre insgesamt 8,5 Milliarden Dollar erhalten, den Großteil davon als Kredit.
Staatliche Unterstützung alleine wird aber nicht reichen. Es braucht auch Investoren aus der privaten Wirtschaft. Um diese anzulocken, müssen Anreize geschaffen werden.
Stefan Liebing, Vorsitzender des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft, und Werner Hoyer, Präsident der Europäischen Investitionsbank, haben gegenüber dem Tagesspiegel unter anderem ein europäisch-afrikanisches Emissionshandelssystem und einen deutsch-afrikanischen Wasserstoffpakt erwähnt.
Ein Emissionshandelssystem kennen wir aus Europa bereits. Verschiedene Akteure handeln Zertifikate, die ihnen gewisse Emissionen gestatten. Ein möglicher Anreiz, um Geld in die afrikanische Energiewirtschaft zu stecken, könnte also sein, dass Geldgeber für ihre Investitionen solche Zertifikate erhalten. So können sie sogar bessere Emissionsbilanzen erzielen als durch Emissionsausgleichsprojekte in Europa.
Ein Wasserstoffpakt würde Investoren aus dem globalen Norden mit grünem Wasserstoff versorgen, wenn sie den Ausbau der erneuerbaren Energien vorantreiben. Denn Platz für Wind- und Solarparks gibt es in Afrika genug. Es könnte sogar ein Energieüberschuss erzielt werden, der wiederum für die Synthese von grünem Wasserstoff genutzt werden kann. Dieser würde nach Europa transportiert werden, um hier die Industrie mit sauberer und günstiger Energie zu versorgen.
Mit vereinten Kräften von Entwicklungshilfe und privatwirtschaftlichen Investoren ist es möglich, dem globalen Klimawandel in Afrika entgegenzutreten. Man muss dafür nur ein Stück über den Tellerrand blicken.