FC Bayern brachte den Ball ins Rollen: Hilfe für Kinder in Uganda e.V.

Reinhold Reinöhl staunte, als 1998 ein ugandischer Priester in seine kleine Gemeinde ins bayerische Allgäu kommt, und dieser wie er ein Bayern-München-Fan ist. Über ihre geteilte Liebe zum Fußball freunden sich die beiden schnell an. Sie beginnen, Spenden für das Heimatdorf des Priesters zu sammeln, um Schulen zu bauen. Reinöhl ist zu dieser Zeit Vorsitzender des örtlichen Bayern-München-Fanclubs und LKW-Fahrer bei der Molkerei Ehrmann. Einige Zeit später sind sowohl Franz Beckenbauer als auch sein Seniorchef, Alois Ehrmann, große Unterstützer der Uganda-Hilfe. Beckenbauer bietet ihm ein Benefizspiel mit den Profis des FCB an und Ehrmann fliegt mit ihm im Alter von 83 Jahren nach Uganda.

von Tom Füßler

Reinöhl und der ugandische Priester Lawrence bei der Einweihung ihres St. Andrew College 2009. Mit dabei: die FC Bayern München & Ehrmann Flagge. (Quelle: privat)

In Uganda ist Fußball die beliebteste Sportart. Für den ugandischen Priester und Fußballfan Pater Dr. Lawrence Ssemusu war es wohl ein glücklicher Zufall, als er 1998 ins bayerische Unterallgäu zur Sommervertretung geschickt wurde und in die Pfarrei Babenhausen kam. Denn dort in der Nähe war der zu dieser Zeit größte Bayern-München-Fanclub ansässig. Der erste Vorsitzende Reinhold Reinöhl erinnert sich: “Alles begann damit, dass ich Pater Lawrence nach einem Gottesdienst fragte, ob er denn den FC Bayern kenne. Er meinte, er kenne ihn nicht nur, er sei sogar Fan.”

Reinöhl war begeistert und die beiden freundeten sich an. Sie fuhren gemeinsam nach München zu Spielen des FC Bayern und Pater Lawrence wurde Mitglied im Fanclub. Mit wachsender Freundschaft begann der Pater auch von seinem Heimatort Buswa zu erzählen. Er berichtete von der maroden und viel zu kleinen Schule, den vielen Waisenkindern und der schlechten medizinischen Versorgung. Die Schule war ursprünglich für 250 Kinder ausgelegt, 700 wurden aber unterrichtet. In Uganda, einem der ärmsten Länder der Welt, in dem rund rund 50 Prozent der Bevölkerung von weniger als einem Dollar pro Tag leben, sind solche Zustände an Schulen auch heute immer noch keine Seltenheit.

Lawrence & Reinöhl (Quelle: privat)

Reinöhl und einige weitere Mitglieder aus der Gemeinde sowie des Fanclubs beschlossen, sich im Heimatdorf ihres Paters zu engagieren und gründeten noch im selben Jahr den Verein Hilfe für Kinder in Uganda eV. “Wir wollten nicht nur eben mal ein kurzes Strohfeuer entfachen, sondern wenn, dann dauerhaft helfen”, erzählt Reinöhl. Und das hat der Verein auch. 24 Jahre später kann der mittlerweile 77-jährige Allgäuer auf viele Dinge zurückblicken: 1,5 Leitz-Ordner voller Medienberichte über ihre Aktionen, 4.000.000 Euro gesammelte Spenden, 14.000 Kinder, die durch den Verein ein Schulbesuch ermöglicht bekommen haben, und mehrere Bauprojekte.

Die Schulsituation in Uganda

Die Hälfte der ugandischen Bevölkerung ist unter 15 Jahre alt. Gerade deshalb wäre ein gut ausgebauter Bildungssektor extrem wichtig, auch für die zukünftige Entwicklung des Landes. Die Realität sieht aber leider oftmals anders aus. Dabei hat sich die Schulsituation in Uganda in den letzten Jahren schon deutlich gebessert: So wurde Ende der 1990er eine Schulpflicht von 7 Jahren eingeführt, Schulgebühren wurden (für die ersten vier Kinder einer Familie) abgeschafft und der ugandische Staat unterstützt Familien jährlich mit umgerechnet 3,50 Euro pro Schulkind.

Trotzdem ist ein regelmäßiger und qualitativer Unterricht für viele Kinder Ugandas bis heute unmöglich. Die Kosten für Lernutensilien, Schuluniformen, Essen und Unterkünfte sind für viele Familien nicht tragbar. Zudem müssen viele Kinder zum Lebensunterhalt der Familie beitragen, indem sie beispielsweise auf den Feldern helfen. Vor allem im ländlichen Bereich sind Schulen zu weit weg und wären nur mit einem stundenlangen Fußmarsch zu erreichen.

Selbst wenn es die Kinder zum Unterricht schaffen, sind viele Schulen in einem äußerst schlechten Zustand. Vielen fehlt es an Strom- und Wasseranschluss, es gibt keine Bücher oder Papier für die Schüler:innen, es herrschen schlechte hygienische Bedingungen und teilweise sind keine Toiletten vorhanden. Weiterhin sind die Klassen extrem überfüllt, 80 bis 100 Schüler:innen pro Lehrkraft in einer Klasse sind keine Seltenheit. Die Lehrkräfte werden zudem noch schlecht bezahlt, gut ausgebildete wandern folglich ab.

Das ugandische Schulsystem hat seine Wurzeln noch in der britischen Kolonialzeit, daher sind Schuluniformen Pflicht. Es besteht aus einer siebenjährigen verpflichtenden Grundschule und aus einer vier- bis sechsjährigen Sekundarstufe. Weniger als 15 Prozent der Kinder besuchen nach der Grundschule die weiterführende Schule. Studieren ist teuer, es gibt in ganz Uganda nur acht öffentliche Universitäten und einige private. Studierende machen nur ca. 0,5 Prozent der Bevölkerung aus.

Startschuss durch den FC Bayern München

Aus diesen Gründen war es Pater Lawrence und Reinhold Reinöhl so wichtig, in Schulen und Bildung in Uganda zu investieren. Alles begann damals mit dem Ziel 35.000 D-Mark zu sammeln, um die St.-Kizito-Ssanda Schule in Pater Lawrences Heimatort sanieren und erweitern zu können. Maßgeblich daran beteiligt war der Verein, der Reinöhl und Lawrence erst zusammengebracht hatte: der FC Bayern München. Der bayerische Fußballverein brachte mit einem Benefizspiel für die Uganda-Hilfe den Ball ins Rollen.

Wie kam das Benefizspiel eures Fanclubs gegen die Profis des FC Bayern München zustande?

Reinöhl: Wir waren zu dieser Zeit einer der größten FCB-Fanclubs. Deshalb war ich damals auf der Jahreshauptversammlung vom FC Bayern in München. Neben dem Präsidium, wo der Hoeneß und der Beckenbauer und viele andere waren, konnte man sich melden und Fragen stellen. Und dann hab ich mir gesagt: “Da meldest du dich auch.”
Ich war zum Glück erst der Elfte und die zehn vor mir wollten alle ein neues Stadion. Dann hat der Beckenbauer gesagt: “Wenn noch jemand ein neues Stadion will, der braucht nicht mehr vorkommen.” Und ich wollte ja kein Stadion. Ich wollte Hilfe für unser Projekt. Ich habe also meinen Mut zusammengenommen und zum Beckenbauer gesagt: “Wir haben einen Priester aus Uganda bei uns im Fanclub, und der will in seiner Heimat eine Schule bauen. Dazu bräuchten wir noch 35.000 D-Mark.” Und dann ist der Beckenbauer aufgestanden und hat gesagt: “Wir machen bei euch ein Spiel.”

Und dann fuhr die ganze Mannschaft zu euch ins Unterallgäu?

Reinöhl: Noch nicht. Die Geschichte hat dann zwei Jahre gedauert. Ich fuhr damals zum Trainingsplatz des FC Bayern, und konnte den damaligen Trainer des Vereins, Ottmar Hitzfeld, abfangen. Er meinte: “Ah, Sie sind das.” Dann kam noch der Uli Hoeneß dazu, der in seinen Terminkalender schaute und dann sagte: “Schafft ihr das in sechs Wochen, dass wir kommen können?” Dann sagte ich: “Wenn der FC Bayern kommt, schaffen wir alles.”
Der FCB kam dann mit sechs oder sieben Stammspielern und von deren Jugend ein paar Spielern, mit dem Ottmar Hitzfeld und seinem Co-Trainer Michael Henke. Sie haben dann gegen unseren Fanclub gespielt und es ging 12 zu 2 aus. Wir haben also zwei Tore gemacht! Insgesamt konnten wir sogar 54.000 D-Mark einnehmen. Damit konnten wir die Schule sanieren und hatten sogar noch mehr Geld für den Verein übrig. Und vor allem sind durch diese Aktion viele auf uns aufmerksam geworden, was ja das wichtigste ist.

Auch danach unterstützte der FCB die Uganda-Hilfe weiterhin, oder?

Reinöhl: Ja, zum Beispiel hat Michael Ballack mehrmals größere Summen gespendet – einmal wurde er vom Ottmar Hitzfeld dazu verdonnert, weil er ihn kritisiert hatte. Weitere höhere Spenden gab es auch vom FC Bayern München Hilfe Verein. 2004 gewannen wir mit unserem Verein bei einem Wettbewerb der Firma Erdinger Weißbräu den Sonderpreis von 25.000 Euro. Bei der Siegerehrung überreichte mir Franz Beckenbauer den Pokal und meinte, ich bekäme auch noch Geld von ihm. Er meinte damit die Franz-Beckenbauer-Stiftung. Und ja, seit dieser Aktion bekomme ich jedes Jahr eine größere Summe von ihm.

Reinhold Reinöhl, Pater Lawrence (v.l.n.r.) und sein Bruder Augustine (dritter von rechts) bekommen 10.000€ vom Verein „FC Bayern München Hilfe“ überreicht (2008) (Quelle: privat)

Hilfe für Kinder in Uganda e.V.

Mit dem FC Bayern als Unterstützer der Uganda-Hilfe kam mediale Aufmerksamkeit für das Projekt, und somit weitere Unterstützende und Helfende. Der Verein konnte dadurch die Schulbildung für ugandische Kinder weiter finanzieren, investierte in Gesundheitsmaßnahmen und fing an, Kinderpatenschaften zu organisieren. Mit 90 Euro im Jahr kann man bis heute ein Jahr lang die Schulbildung eines Kindes finanzieren. Insgesamt ermöglichten diese Patenschaften schon 2300 ugandischen Kindern die siebenjährige Grundschullaufbahn.

Ein Großprojekt konnte 2009 abgeschlossen werden: der Bau einer weiterführenden Schule, dem St. Andrew College inklusive Übernachtungsmöglichkeiten und Sportplatz. Einige Jahre später kam noch ein mehrstöckiges Gebäude mit Büroräumen, weiteren Klassenzimmern, Schlafräumen für die Lehrkräfte, einem Labor, einer Bibliothek und einem Computerraum dazu. Dieses Jahr wurde das aktuellste Bauvorhaben fertig: ein Bettenhaus, in dem jetzt schon 400 Mädchen unterkommen können.

Mit der Sanierung der Grundschule St.-Kizito-Ssanda fing alles an (Quelle: privat) 
2009 wurde das weiterführende St. Andrew College errichtet (Quelle: privat)

Als Reinhold Reinöhl während der Anfänge des Vereins nach Uganda flog, schloss er die Kinder dort sofort in sein Herz. “Das, was wir gebaut haben, und die Herzlichkeit der Kinder haben mich so motiviert, das ist gar nicht fassbar.” Zehnmal ist er jetzt mittlerweile schon nach Uganda geflogen, natürlich immer auf eigene Kosten. Während Reinöhl aus dem Allgäu heraus den Verein leitet und mit den Mitgliedern Spendengelder sammelt, organisieren Pater Lawrence und sein Bruder vor Ort in Uganda die Projekte und die Finanzierungen. Derweil sind die beiden Freunde natürlich immer im stetigen Austausch –  ein Jahr kommt  Lawrence nach Deutschland und im anderen fliegt Reinöhl nach Uganda. 

„Wo ich hinkomme, hilft man mir“

Nach 24 Jahren können Pater Lawrence und Reinöhl auf ein Lebenswerk zurückblicken. Auf dem Weg dahin haben beide viel erlebt. Lawrence bekleidete ein hohes Amt in der katholischen Erzdiözese in Ugandas Hauptstadt Kampala und Reinöhl bekam 2013 für seine Leistung rund um die Uganda-Hilfe sogar das Bundesverdienstkreuz überreicht. Auch Gerd Müller, damaliger Bundesminister für Entwicklung und wirtschaftliche Zusammenarbeit, war von der Arbeit des Vereins überzeugt und sagte 2018 einer Förderung zu.

Gerd Müller und Reinhold Reinöhl 2018 (Quelle: privat)

Bis zu den 14.000 ermöglichten Schulabschlüssen waren es Jahre voller Aktionen, Projekte und Unterstützungen – in eine Maßeinheit gepackt: 1,5 Leitz-Ordner voller Artikel. “Ich brauchte nie irgendwo betteln. Wo ich hinkomme, hilft man mir”, resümiert Reinöhl. Exemplarisch für die Art der Spendensammlung des Vereins steht die “Zahngold-Aktion” von Zahnarzt Hans Rainer, mittlerweile zweiter Vorsitzender der Uganda-Hilfe. Seit 2006 sammelt Rainer mit anderen Zahnärzten das Zahngold ihrer Patienten. 380.000 Euro hat das dem Verein bis heute eingebracht.

Auch Reinöhls damaligen Arbeitgeber, die Molkerei Ehrmann, gewann er für das Uganda-Projekt. Der Seniorchef der Firma, Alois Ehrmann, reiste sogar im Alter von 83 Jahren für eine Woche mit nach Uganda. Reinöhl konnte damals krankheitsbedingt nicht weiter LKW fahren. Deshalb war er die letzten sechs Jahre seiner Berufszeit der Privatchauffeur seines Seniorchefs. Dabei erfuhr Ehrmann natürlich von Reinöhls Uganda-Projekt und wurde einer der wichtigsten Unterstützer. „Ich fliege mit dir nach Uganda. Ich möchte sehen, was du mit meinem Geld machst“, waren Ehrmanns Worte im Jahr 2013, erinnert sich Reinöhl.

Auch heute noch sammelt der Allgäuer Verein unermüdlich weiter. Eine Konstante bei den Aktionen bleibt der Fußball, der Reinöhl und Lawrence damals ja auch zusammengebracht hat: Erst vor wenigen Wochen, am 18. Juni 2022, fand ein Benefizspiel statt, bei dem der FC Augsburg II gegen eine lokale Mannschaft spielte. Für die Halbzeit dachte sich Reinöhl etwas Besonderes aus: „Wir arrangierten ein Elfmeterschießen mit den ‘Promis’, also dem Bürgermeister und so weiter. Wer traf, spendete 30€, wer daneben schoss, spendete 50€ für die Uganda-Hilfe.“ Bei dem Event kamen insgesamt 3500 € zusammen. Davon können 700 Schulkinder in Uganda drei Monate lang mit einer warmen Mahlzeit verpflegt werden.

Hier kann man spenden:

Hilfe für Kinder in Uganda eV
Konto-Nr.: 1037498
Bankleitzahl: 72069736
Raiffeisenbank Babenhausen
JBAN: DE18 7206 9736 0001 0374 98
BIC/SWIFT: GENODEF1BLT

Website der Uganda-Hilfe:

http://www.hilfe-fuer-kinder-in-uganda.de

5 Fakten zu Uganda

– In Uganda leben mehr als 60 verschiedene Völker zusammen, die teilweise jeweils eine andere Sprache, Kultur und Religion haben. Die Amtssprache ist jedoch Englisch und der größte Teil der Bevölkerung ist christlich. Quelle
– Die Bevölkerung Ugandas hat sich in den letzten 25 Jahren mehr als verdoppelt und soll sich laut Schätzungen bis 2050 nochmal auf knapp 100 Millionen verdoppeln. Quelle
– Das Durchschnittsalter in Uganda beträgt 16 Jahre. Ca. die Hälfte der Menschen sind unter 15 Jahre alt. Uganda ist damit das zweitjüngste Land der Welt.
– Trotz der hohen Armut des Landes, beherbergt Uganda mit 1,4 Millionen mehr Geflüchtete als jedes andere Land Afrikas.
– Winston Churchill nannte Uganda “die Perle Afrikas” wegen der vielen fruchtbaren Böden, dem Reichtum an Wasser, dank vieler Seen wie dem Viktoriasee, und der großen Tierwelt.

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