Ärzte ohne Grenzen leistet weltweit in über 70 Ländern medizinische Nothilfe. Um diese humanitäre Arbeit leisten zu können, braucht es mehr als hilfsbereite Mediziner:innen.
Von Louis Glatzel
Vor allem die Finanzierung der Projekte ist ein elementarer Teil ihrer Arbeit. Ärzte ohne Grenzen hatte 2021 weltweite Ausgaben von knapp 1,8 Milliarden Euro. Dabei stammen 1,37 Milliarden Euro direkt aus privaten Spenden. Um diesen Spendenfluss aufrecht zu halten, investierte Ärzte ohne Grenzen letztes Jahr knapp 350 Millionen Euro.
Michael Strobach ist 27 Jahre alt und arbeitet bei Ärzte ohne Grenzen in Wien im Bereich der Spendenwerbung. Im Interview mit uns von 23 Grad hat er uns verraten, ob er die Ausgaben für das Fundraising in dieser Höhe für gerechtfertigt hält, was seine Arbeit ausmacht und was er vom Einsatz in Krisengebieten mitbekommt.
Hallo Michael. Was ist deine Position bei Ärzte ohne Grenzen und was sind deine Aufgaben?
Michael: Ich arbeite als Teamkoordinator für den Bereich Face-To-Face-Fundraising. Meine Aufgabe ist, die Fundraiser:innen auf der Straße und an der Haustür inhaltlich und rhetorisch zu schulen, damit diese finanzielle Unterstützung für Ärzte ohne Grenzen sammeln können. Zudem bin ich die direkte Ansprechperson für Standplatzgeber:innen und stehe bei Rückfragen zur Verfügung.
Wie hast du bei Ärzte ohne Grenzen angefangen und wie bist du in deine Position gekommen?
Michael: Ich habe vor acht Jahren angefangen neben dem Studium für Ärzte ohne Grenzen zu arbeiten. Das war auch im Bereich des Face-To-Face-Fundraisings auf bundesweiten Reisekampagnen mehrmals im Jahr. Danach bin ich dann Teamleiter für ein Team von bis zu fünf Leuten geworden und nun seit eineinhalb Jahren fest als Teamkoordinator bei Ärzte ohne Grenzen angestellt.
Warum arbeitest du ausgerechnet bei Ärzte ohne Grenzen und nicht bei einer anderen Organisation?
Michael: Ich mache diese Arbeit bei Ärzte ohne Grenzen, da ich mich mit ihren Werten identifiziere, nämlich dass Ärzte ohne Grenzen jede:n nach Bedarf medizinisch behandelt. Dabei wird kein Unterschied zwischen Herkunft, Religion oder anderen Dingen gemacht. Ärzte ohne Grenzen geht auch dorthin, wo die Menschen vor Ort gar keinen Zugang zu medizinischer Versorgung haben, um ihnen eine kostenlose Versorgung anzubieten. Das finde ich bewunderns- und unterstützenswert.
Was bekommst du von der Arbeit vor Ort (in Krisengebieten, etc.) mit?
Michael: Mehrmals im Jahr haben wir interne Vorträge von sogenannten Expats, also Mitarbeiter:innen von Ärzte ohne Grenzen, welche in den Einsatzgebieten vor Ort waren. Diese schildern ihre Eindrücke und was sie vor Ort gemacht haben. Zudem sind auch einige Büromitarbeiter:innen schon im Einsatz für Ärzte ohne Grenzen gewesen und können dies dann im direkten Gespräch erzählen. Zudem verfolge ich auch aktiv die medialen Auftritte von Ärzte ohne Grenzen auf Facebook, der eigenen Internetseite, Instagram und auf YouTube, um mich über die Arbeit zu informieren.
Ärzte ohne Grenzen Österreich gibt an, circa 74 Prozent seiner Mittel für Hilfseinsätze zu verwenden. Rund 13 Prozent sind für die Spendenwerbung. Glaubst du, dass dieser Prozentsatz gerechtfertigt ist?
Michael: Ärzte ohne Grenzen verfolgt das Ziel, den Patient:innen so effektiv wie möglich zu helfen und auch effizient das Geld der Unterstützer:innen zu verwenden. Dementsprechend ist Ärzte ohne Grenzen beiden Gruppen verpflichtet. Genau genommen werden nicht nur 74 Prozent der Ausgaben für Hilfseinsätze verwendet. Hier kommen noch etwa 10 Prozent für die Vorbereitung und Unterstützung der Einsätze, für Bewusstseinsarbeit in Österreich und auch für das Aufzeigen von möglichen strukturellen Problemen in der medizinischen Versorgung der Einsatzländern dazu. Die 13 Prozent für Spendenwerbung klingen zuerst einmal viel, allerdings muss auch erwähnt werden, dass für jeden in der Spendenwerbung verwendeten Euro wieder acht gespendet werden. Somit ist die Spendenwerbung ein wichtiges Tool, worauf Ärzte ohne Grenzen angewiesen ist, da man sich zu einem überwiegenden Teil von privaten Spenden finanziert. Im Jahr 2021 waren über 97 Prozent der internationalen Einnahmen private Spenden. Dadurch ist Ärzte ohne Grenzen unabhängig. Diese Unabhängigkeit ist in militärischen Konflikten essenziell, damit Ärzte ohne Grenzen nicht zur Zielscheibe wird. Ich finde, dass es wichtig ist, immer darauf zu achten, wie die Spendengelder verwendet werden und weiterhin dafür zu arbeiten, dass sinnvoll mit dem Geld umgegangen wird. Das sind wir unseren Patient:innen und Spender:innen schuldig.
Kannst du Ärzte ohne Grenzen als Arbeitgeber empfehlen und was würdest du jungen Leuten raten, die Spenden sammeln bzw. helfen wollen?
Michael: Ich bin sehr von der Mission von Ärzte ohne Grenzen überzeugt und kann sie als Arbeitgeber empfehlen. Es gibt vielfältige und abwechslungsreiche Tätigkeiten bei Ärzte ohne Grenzen, sowohl im Büro, als auch auf der Straße oder direkt im Einsatz. Die Anforderungen für den Einsatz vor Ort sind allerdings recht hoch und erst mit mehrjähriger Berufserfahrung möglich. Einfacher ist da schon eher als Fundraiser:in für die Organisation Spenden zu sammeln, da ohne das Fundraising die Arbeit von Ärzte ohne Grenzen nicht möglich wäre. Dafür sollte man gerne mit Menschen reden und die Werte von Ärzte ohne Grenzen teilen.