Von Tieren, Menschen und Wäldern – wie nachhaltige Waldnutzung in Kenia funktioniert

Kenia – eines der größten Ökosysteme des afrikanischen Kontinents beheimatet zahlreiche bedrohte Tier- und Pflanzenarten sowie einzigartige Naturmonumente. Allerdings wurde die dortige Naturlandschaft immer mehr durch Waldrodung oder Wilderer zerstört. Das gefährdet nicht nur Lebensräume für bedrohte Arten, sondern auch die Lebensgrundlage vieler Menschen vor Ort. Deshalb müssen Naturschutz und nachhaltige Waldnutzung zum Alltag der Menschen in Kenia gehören. Dafür setzen sich unter anderem Naturschutzorganisationen wie zum Beispiel der WWF ein.

von Johannes Rauch

Afrikanische Elefanten suchen sich ihren Weg durch die Savanne. (Quelle: Pixabay)

Wir alle brauchen Wälder. Dabei ist ganz egal, ob Menschen, Tiere oder Pflanzen. Ganz egal, ob als Regenmacher und Wasserquelle, als Ort zum Durchatmen oder sogar als Heimat- und Lebensgrundlage. Wälder sind weltweit für 80 Prozent aller an Land lebenden Arten immens wichtig und dienen als Quelle für drei Viertel des weltweiten Süßwasservorkommens. Aber ganz Afrika benötigt seine Wälder besonders dringend, unter anderem zum Schutz vor Erosionen, wegen seiner einzigartigen Tier- und Pflanzenwelt und auch gegen den Klimawandel. Vor allem in Kenia gibt es zahlreiche Nationalparks und Schutzgebiete, in denen viele gefährdete Tierarten wie zum Beispiel Elefanten, Nashörner oder Löwen leben. Dazu gehört das Naturschutzgebiet Masai Mara, das zur Serengeti gehört und durch das gerade im Hochsommer viele Herden von Zebras, Gnus oder Antilopen wandern.

Ein großes Problem in Kenia ist allerdings – wie in vielen afrikanischen Ländern – die Zerstörung der Wälder und anderer einzigartiger Landschaften. Die Abholzung afrikanischer Wälder schreitet laut UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation sogar noch schneller voran als beispielsweise im Amazonas-Regenwald. Seit 1990 ist die Entwaldungsrate in Südamerika stetig gesunken, während sie in Afrika zugenommen hat.

Kenia – ein wachsender Agrarstaat

Die größte Bedrohung für Kenias Wälder ist die Landwirtschaft. Über die Hälfte der kenianischen Bevölkerung lebt von der Landwirtschaft. Die Bäuer:innen müssen immer mehr Felder anlegen, aber viel Fläche ist aufgrund unfruchtbarer Böden landwirtschaftlich nicht nutzbar. Deshalb werden teilweise große Waldflächen für neues Ackerland gerodet. Gleichzeitig bringt auch das Roden der Wälder große finanzielle Vorteile für die Bevölkerung. Denn Holz und Holzkohle gelten als wichtigster Energieträger in Kenia und sind daher eine gute zusätzliche Einnahmequelle.

Landwirtschaft ist der wichtigste Teil von Kenias Wirtschaft, aber gleichzeitig auch die größte Bedrohung für die dortige Natur. (Quelle: Pixabay)

Der einzige funktionierende Weg – so sehen es zumindest die meisten Umweltschutz- und Hilfsorganisationen – ist es, den Menschen vor Ort zu zeigen, dass sich nachhaltige Waldwirtschaft für sie viel mehr auszahlen würde. Die Bevölkerung muss miteinbezogen werden und von der nachhaltigen Naturnutzung profitieren. Die Arbeit des WWF fokussiert sich deshalb zunächst auf politische Überzeugungsarbeit und Schulungen der Bevölkerung zum Thema Umweltschutz. Gleichzeitig errichtet WWF Waldschutzgebiete und zum Ausgleich sogenannte Gemeindegebiete. Denn das Wiederaufforsten funktioniert nur, wenn man den Menschen vor Ort einen Anreiz liefert. Die Gemeindegebiete sind nämlich ausschließlich für die Bevölkerung da. Die ansässigen Kommunen kümmern sich eigenständig um das ihnen zugeteilte Waldstück und dadurch dürfen sie auf die Ressourcen dieses Waldes zurückgreifen.

Dieses Konzept, das Landwirtschaft und Waldschutz vereint, ist teilweise auch als “Food Forest” bekannt. Dabei handelt es sich um ein Waldstück mit einem hohen Anteil an essbaren Pflanzen, aber auch Baumaterial wie Holz oder Bambus. Gleichzeitig ist es ein abgeschlossenes Ökosystem, in das kleinere Tierarten wieder zurückkehren können. So können die Gebiete landwirtschaftlich genutzt werden, parallel entstehen aber auch größere Waldgebiete, die sich irgendwann möglicherweise wieder vernetzen und größere Korridore bilden. So lernt die lokale Bevölkerung den Wald zu nutzen, ohne ihn zu zerstören – kurzum: nachhaltige Waldwirtschaft. Die umliegenden Waldgebiete und Naturschutzgebiete bleiben so möglichst unberührt.

Nicht jede Aufforstung ist nachhaltig

Allerdings reicht es nicht aus, die bestehenden Wälder zu bewahren und möglichst nachhaltig zu nutzen. Denn vielerorts sind die Wälder in jüngster Vergangenheit bereits vollständig abgeholzt worden. Darum müssen an diesen Stellen wieder neue Wälder entstehen. Doch nicht jede Aufforstung ist nachhaltig. Gerade industrielle Baumplantagen mit einer einzigen Baumart sind keinesfalls nachhaltig, werden aber häufig aus Profitgründen gepflanzt. Diese schaden jedoch oft der Artenvielfalt und auch den Böden. Glücklicherweise stellen sich mittlerweile viele Gemeinden dagegen und erkennen, dass der Wald als vielfältiges Ökosystem dem Menschen viel mehr nützt als der schnelle Profit.

Ein gelungenes Beispiel für die Aufforstung ist der Kasigau-Korridor, ein Waldstück, das die beiden kenianischen Nationalparks Tsavo East und Tsavo West verbindet. Vor einigen Jahren war dieser Korridor komplett kahl und bot keinen Lebensraum für Wildtiere. Lediglich eine Rinderfarm stand auf dem Gebiet. Mithilfe des US-amerikanischen Naturschutzunternehmens Wildlife Works und des Münchener Unternehmens Climate Partner wurde das Waldgebiet wieder völlig hergestellt. Außerdem zeigten sie der örtlichen Bevölkerung, nachhaltig mit der Natur umzugehen, also von und mit der Natur zu leben. Mittlerweile beherbergt das Gebiet wieder viele bedrohte Tierarten. Während ihrer saisonalen Wanderung ziehen täglich knapp 2.000 Elefanten durch den Waldkorridor. Dafür wurde das Projekt von Clima Partner im “Environmental Finance’s 8th Voluntary Carbon Market Ranking 2017” als bestes Klimaschutzprojekt ausgezeichnet. Denn vor allem tropische Wälder speichern besonders viel CO₂. Der CO₂-Ausstoß, der durch die Rodung von Wäldern hervorgerufen wird, macht etwa 15 bis 20 Prozent der weltweiten CO₂-Emissionen aus. Waldschutz kann also eine Menge zum Klimaschutz beitragen. Durch den wachsenden Wald im Kasigau-Korridor sollen in den nächsten Jahrzehnten jährlich etwa eine Million Tonnen CO₂ gespeichert werden.

Wald und Klima hängen stark zusammen!

Den Zusammenhang zwischen Wald und Klima betont auch der Naturpädagoge Klaus Berger vom Zentrum für globale Nachhaltigkeit in Darmstadt. Er hat es sich zur Aufgabe gemacht, in Deutschland – genauer gesagt in Darmstadt – Menschen über verschiedene Wald- und Klimathemen aufzuklären. Gleichzeitig kombiniert er diesen theoretischen Ansatz mit Praxisprojekten. Dazu zählt seit 2016 das Projekt “Forests, Elephants and People”. Dabei soll auch die nachhaltige Koexistenz von Mensch, Tier und Wald ermöglicht werden. Dabei unterstützt das Projekt vor allem kleinere, lokale Organisationen aus Kenia, da diese eher Unterstützung benötigen als große Organisationen.

Um den Wald zu schützen, muss mit den Menschen vor Ort zusammengearbeitet werden. Die Bevölkerung muss zum Thema Umwelt- und Waldschutz geschult werden. (Quelle: Pixabay)

Generell würde Klaus Berger die Arbeit in Kenia gerne intensivieren, vor allem in Zusammenarbeit mit mehr Helfer:innen oder Sponsor:innen aus Deutschland. Auf lange Sicht möchte er Wald und Wildtiere noch besser schützen und dabei die Menschen vor Ort noch besser einbinden. “Teilweise passiert es heute noch, dass irgendwo ein Nationalpark gegründet wird und die Menschen, die dort teilweise schon seit Jahrhunderten leben, müssen einfach weg”, so Berger. Aber wie viele Menschenrechtsorganisationen ist Klaus Berger der Ansicht, dass dieser Ansatz schon lange überholt ist. Lieber mit den Menschen zusammen die Natur schützen, anstatt über ihre Köpfe hinweg, denn das verlagert das Problem nur in andere Regionen. Schließlich sollten Menschenrechte und Naturschutz nicht gegeneinander aufgewogen werden.

Miteinander statt gegeneinander

Dieses Problem trat nämlich unter anderem im Mau-Wald im Nordwesten Kenias auf. Diese Region versorgt Kenia, Tansania und einige umliegende Gewässer wie den Victoria-See oder sogar den Nil mit Wasser. Jahrzehntelang wurde der Wald dort gerodet und Ackerbau getrieben, bis der wichtigste Wasserspeicher Kenias nicht mehr richtig funktioniert hat. Das wirkte sich auch für umliegende Länder auf Millionen von Menschen aus. Um die sinkende Wasserversorgung Kenias wieder zu erhöhen und den Wald zu erhalten, wurden alle dort lebenden Menschen zwangsumgesiedelt. Teilweise haben sie sich dort tatsächlich widerrechtlich niedergelassen und den Erhalt des Waldes gestört. Allerdings vertrieb man damals auch den Stamm der Ogiek, der dort bereits seit Jahrhunderten ansässig war. Anders als andere Siedler nutzen die Ogiek den Wald sehr nachhaltig und kümmern sich – auch aus eigenem Interesse – um dessen Erhalt. Die Ogiek bezeichnen sich selbst als die Hüter des Waldes und setzen sich für dessen Erhalt ein. Schließlich ist der Wald, wie bei vielen indigenen Volksgruppen, ihre Lebensgrundlage. Generell wäre auch hier der Ansatz des Miteinanders wesentlich sinnvoller gewesen.

Wasserfall im kenianischen Regenwald (Quelle: Pixabay)

Aus den Entwicklungen in Kenia kann auch der globale Norden viel mitnehmen. In Afrika sagen viele Menschen: “Ihr erwartet von uns, dass wir unsere Elefanten und Löwen schützen, aber schafft es selbst nicht, das im eigenen Land [zum Beispiel mit Wölfen oder Bären, Anmerk. d. Red.] umzusetzen”, wie Klaus Berger vom Zentrum für globale Nachhaltigkeit Darmstadt in seiner Zeit dort festgestellt hat. Genauso verhält es sich, seiner Ansicht nach, mit vielen anderen Dingen. Das immer wieder betonte Miteinander ist in der Entwicklungshilfe und auch im Klimaschutz von elementarer Bedeutung. Gleichzeitig können wir auch von indigenen Stämmen wie den Ogiek etwas lernen, denn wenn alle Menschen eine so enge Bindung zur Natur und besonders zu den Wäldern hätten, müsste man sich weniger Gedanken um die Entwaldung unseres Planeten, unserer grünen Lunge machen. Dann wäre schon viel im Kampf gegen den Klimawandel geschafft. Um die Worte eines Indigenen zu zitieren, mit dem Berger einmal gesprochen hat: “Wenn wir die Erde oder die Natur so behandeln würden, wie ein liebender Mensch seine Eltern, Kinder oder Partner, die schwer erkrankt sind, dann würde man nicht groß fragen, ob man helfen soll, sondern man würde es einfach tun.” Denn das Wissen, was zu tun ist, was zu ändern ist, ist auf jeden Fall vorhanden. Es fehlt lediglich der Wille, es durchzusetzen.

4 Fakten über: Kenia

  • Kenia besitzt einige der schönsten Strände der Welt. Teilweise schöner als in Urlaubsparadiesen wie den Seychellen.
  • Fast die Hälfte aller Schnittblumen in Europa stammen aus Kenia und machen den Staat aufgrund ganzjähriger optimaler Bedingungen zum größten Blumenexporteur der Welt.
  • Der Ausdruck „Hakuna Matata“ (dt.: “keine Sorgen”) ist durch Disneys „König der Löwen“ berühmt geworden und findet in Kenia im Alltag tatsächlich Verwendung.
  • Als der Vater von – damals noch – Prinzessin Elizabeth verstarb, war sie gerade in Kenia. Sie ist also noch während ihres Aufenthalts in Kenia inoffiziell Königin geworden.
Kenianische Flagge (Quelle: Pixabay)

Die Nationalflagge wurde an Kenias Unabhängigkeitstag im Jahr 1963 eingeführt. Die Farben repräsentieren die verschiedenen Elemente der Unabhängigkeit des Landes: Schwarz für die kenianische Bevölkerung, Rot als Symbol des für die Unabhängigkeit vergossenen Blutes und Grün für Landwirtschaft und den fruchtbaren Boden des Landes. Die weißen Streifen sowie das Massai-Schild kamen nach der Unabhängigkeit dazu und repräsentieren Frieden und die hart erkämpfte Unabhängigkeit.

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