Maschinenringe gegen den Hunger in Senegal

Senegal – Durch den Krieg gegen die Ukraine stehen viele Länder Afrikas vor einer existenziellen Bedrohung. Die Ukraine gilt als wichtigster Getreide-Exporteur. Jetzt fallen lebensnotwendige Lieferungen aus. Was die Maschinenringe Senegals dagegen unternehmen wollen, und was diese in dem Land bewirken, erklärt Lena-Maria Russ vom Bundesverband der Maschinenringe Deutschlands im Interview mit 23 Grad.

Von Teresa Berberich

Quelle: Maschinenring

Ein Maschinenring (MR) ist eine Vereinigung, in der sich Landwirt:innen gegenseitig unterstützen. 1958 wurde der erste gegründet, um Land- und Forstmaschinen gemeinsam zu nutzen und auch um landwirtschaftliche Arbeitskräfte vermitteln zu können. Die einzelnen Vereinigungen dienen als Berater und Vermittler. In Deutschland hat der Bundesverband der Maschinenringe 240 Geschäftsstellen und 190.000 Mitgliedsbetriebe. Die Mitgliedschaft ist kostenpflichtig. 

Frau Russ, der Bundesverband der Maschinenringe Deutschlands engagieren sich für die Mechanisierung der Landwirtschaft im Senegal. Sie sind als Assistentin der Geschäftsleitung an dem Projekt beteiligt. Worum geht es da?

Lena-Maria Russ: Das Projekt startete 2018. Grundgedanke ist der Sharing-Economy-Gedanke in der Landwirtschaft. Landwirte unterstützen sich gegenseitig und können Maschinen untereinander teilen. Die Maschinen sind sehr simpel und kommen aus dem Senegal. Nur die erste Anschaffung wurde mit Geldern aus Deutschland finanziert. Das sind dann etwa einfache Pflüge oder Gespanne für Tiere, aber auch kleinere Traktoren.

Im letzten Jahr haben wir es geschafft, dass so viele Gewinne durch die Maschinen erzielt wurden, dass die Mitglieder im Senegal selbst in Technik investieren konnten. Der Grundgedanke ist: Wir stellen einmal die Anschubfinanzierung bereit, aber dann muss es hier vor Ort weiterlaufen, und die Gewinne müssen dann wieder investiert werden, in neue Technik.

Die Mitglieder müssen ja Beiträge zahlen. Wie hoch sind diese?

Russ: Das kommt darauf an. Zum Beispiel werden die Geräte, Maschinen und Pflüge, die der Landwirt mit dem Esel nutzt, pro Saison abgerechnet. Es ist individuell, aber die Preise sind schon so kalkuliert, dass die Maschinen nach drei Jahren abbezahlt sind. Und dass der Maschinenring daraus seine Kosten für Betriebsmittel, für Ersatzteile und für den Maschinenbediener bezahlen kann.

Wieso hat sich der Bundesverband der Maschinenringe gerade für eine Entwicklungszusammenarbeit mit dem Senegal entschieden?

Russ: Tatsächlich eher zufällig. Senegal ist ein politisch recht stabiles Land und hat gute landwirtschaftliche Voraussetzungen. Es gibt genug Fläche, die landwirtschaftlich ausgeweitet werden kann. Die Landwirte haben hier noch viel Potenzial und es gibt, was Niederschlag betrifft, ganz gute Voraussetzungen. Regen ist einer der entscheidenden Faktoren in der Landwirtschaft. Die meisten Menschen nutzen ihren Ackerbau noch zur reinen Selbstversorgung.

Im Senegal sind rund 80 Prozent der Einwohner:innen in der Landwirtschaft tätig. Trotzdem machte dieser Wirtschaftssektor 2020 nur 15,8 Prozent des Bruttoinlandproduktes aus. Quelle: Statista
Senegal ist auf Platz neun der größten Erdnussproduzenten weltweit. Hirse, Zuckerrohr, Reis, Mais, Gemüse und Früchte bauen Landwirt:innen eher zur Eigenversorgung an. Quelle: Atlasbig

Sie meinten, dass Landwirt:innen sich mit ihrer Arbeit selbst versorgen. Was hat sich denn seit den Gründungen der Maschinenringe geändert?

Russ: Vorher hat die Handarbeit mit der Hacke auf den Feldern dominiert. Aktuell haben wir im Senegal an drei Standorten 57 Maschinenringe gegründet, knapp 9.000 Mitglieder und 16.000 Hektar bewirtschaftete Fläche. Die Landwirte haben jetzt die Möglichkeit, schneller und effektiver größere Flächen durch Technik anzubauen. Das geht natürlich nicht von heute auf morgen. Durchschnittlich hat 2018, bei Beginn, jedes Mitglied so zwischen ein bis zwei Hektar angebaut. Diese Fläche hat sich jetzt aber in den letzten vier Jahren verdoppelt. Teilweise sogar vervierfacht.

Quelle: Maschinenring

Dass mehr Fläche angebaut wird, ist besonders jetzt mit Blick auf den Krieg gegen die Ukraine wichtig. Wie unterstützt der Maschinenring die Landwirt:innen dabei?

Russ: Also im Senegal steht gerade die Anbausaison vor der Tür. Die ersten Regenfälle haben eingesetzt, damit ist die Bodenbearbeitung möglich. Das ist eine der Hochphasen in der Landwirtschaft. Jetzt müssen die Maschinen da sein, die müssen laufen. Zum anderen haben wir jetzt angefangen, gerade im Zuge des Krieges gegen die Ukraine, zusätzliche Dienstleistungen aufzubauen. Wir haben die Landwirte gefragt: Was braucht ihr an Saatgut und Düngemitteln? Es gibt ein staatliches Subventionsprogramm hier, das die Kosten dafür um bis zu 60 bis 70 Prozent subventioniert. Aber die Landwirte hatten bisher zu wenig Zugang zu den Förderungen. 

Wie können sich die Landwirt:innen vor Ort das leisten, mehr Fläche zu bewirtschaften?

Russ: Um mehr anzubauen, fehlt es den Landwirten oft an Geld. Deshalb haben wir ein Kreditsystem entwickelt, das jetzt gestartet ist. Der Betrag bezieht sich auf die Menge, die man pro Hektar Maisanbau braucht. Durch die Subventionen haben die Landwirte dann noch eigene Kosten von umgerechnet 120 Euro pro Hektar. Und der Kredit ist eben notwendig, um zusätzlich einen Hektar anbauen zu können. Damit sollen sie die fehlenden Importe aus der Ukraine ausgleichen können. Sie zahlen diesen Kredit in Form von Mais wieder zurück, der dann vom Maschinenring gelagert wird. Und anschließend vermarktet der regionale Maschinenring diese Maismengen und lässt den Landwirt an dem verbesserten Marktpreis teilhaben. Denn je mehr Zeit nach der Ernte vergeht, desto mehr steigt auch der Preis für den Mais, da dann die Nachfrage steigt.

Die lokalen Maschinenringe bieten ihren Mitgliedern aber nicht nur Zugang zu Maschinen. Sie geben auch Seminare. Was wird dort gelehrt?

Russ: Das Know-how der Landwirte soll gefördert werden. Zum einen, was den Technikeinsatz angeht, also wie bediene ich eine Maschine, wie stelle ich diese ein? Wie mache ich selbst kleinere Reparaturen und Wartungen? Aber auch wirtschaftliche Grundlagen, wie beispielsweise Preislisten erstellt werden, um die Maschinen abrechnen zu können. Im dritten Teil geht es um das, was wir unter guter fachlicher Praxis in der Landwirtschaft verstehen. Wie viel Düngemittel setze ich beispielsweise ein, damit sich die Pflanze angepasst ernähren kann?

Inwieweit profitiert der Maschinenring hier in Deutschland von der Arbeit im Senegal?

Russ: Es gibt einen unglaublich wertvollen Erfahrungsaustausch zwischen Deutschland und Senegal. Wir können viel lernen von der Landwirtschaft im Senegal, gerade wenn wir an den Klimawandel in Europa denken. Zum Beispiel neue Kulturen, die für die Landwirtschaft in Deutschland interessant werden könnten, wie die Hirse, die dort schon intensiv angebaut wird.

Quelle: Maschinenring 

Sie sind bereits zum vierten Mal im Senegal. Wenn Sie auf die letzten Jahre zurückblicken, was waren die größten Erfolge, welche die Maschinenringe Senegals verbuchen konnten?

Russ: Ein Riesenerfolg war im letzten Jahr, dass die Maschinenringe zusätzliche Technik selbst gekauft haben. Das ist das erste Zeichen, dass unser Konzept funktioniert und hier selbstständig umgesetzt wird.

Dann haben wir eine unglaublich große Nachfrage und wir merken, es ist Bedarf da. Angesichts der 16,7 Millionen Einwohner, von denen viele in der Landwirtschaft arbeiten und von der Landwirtschaft leben, machen unsere bisherigen Mitglieder nur einen Tropfen auf den heißen Stein aus.

Sind das die Zukunftspläne? Mehr Mitglieder finden und mehr Maschinenringe im Senegal gründen?

Russ: Das ist unsere Vision: In allen Regionen im Senegal flächendeckend Maschinenringe aufzubauen, damit so viele Landwirte wie möglich Zugang zu Maschinen haben. Das Ziel ist es, in den nächsten fünf Jahren eine Million Mitglieder zu haben. Aktuell sind wir dabei, Maschinenringe an drei weiteren Standorten aufzubauen: Kaolack, Saint-Louis und Tambacounda. Da sind wir jetzt dabei, passende Geschäftsführer zu suchen. Die haben die Aufgabe, die Organisation aufzubauen, die Landwirte zu sensibilisieren, für den Maschinenring zu begeistern und dann abzufragen, welchen Bedarf es an Technik vor Ort gibt.

Fünf Fakten zu Senegal

  • Nationalsport ist Laamb. Damit bezeichnen die Senegalesen und Senegalesinnen ihren traditionellen Ringkampf.
  • Einige Kilometer von der Hauptstadt Dakar liegt der Lac Retba oder Lac Rose – ein pinker See. Eine bestimmte Algenart sorgt dafür, dass der See eine rosarot aussieht. Außerdem ist der See sehr salzhaltig. Auf ihm könnte man so leicht treiben wie im Toten Meer.
  • Kinder tragen Gris-Gris. Das sind Ketten mit Perlen und Muscheln oder anderen Anhängern. Sie sollen ihnen Glück bringen und dienen als Talisman.
  • Im Senegal steht die höchste Statue Afrikas: das Monument der afrikanischen Wiedergeburt. Die Bronzestatue ist 50 Meter hoch und soll die Idee der afrikanischen Renaissance verkörpern.
  • Durch Senegal fließen nur drei Flüsse: der Senegal, der das Land im Norden zu Mauretanien abgrenzt, der Gambia und der Casamance im Süden. Alle münden in den Atlantik.

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